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7 Ausgangssituation Pump dir deine Wünsche In den 1980er Jahren führte das Werben für Kredite zu einer Zunahme an überschuldeten Privatpersonen. Die Notwendigkeit eines speziellen Beratungsangebots wurde deutlich. Bis zum 1. Jänner 1995 bestand in Österreich nicht die Möglichkeit einer Privatinsolvenz. War eine Privatperson überschuldet, wurde sie gepfändet. Ein Konkurs, wie die Insolvenz damals noch hieß, wurde nach den Regeln eines Firmenkonkurses abgewickelt und war für Privatpersonen kaum möglich. Abgesehen von ein paar Ausnahmen. Ein Leben ohne Ausweg aus dem „Schuldenturm“ war daher das Los vieler Menschen. Die Not der Beraterinnen und Berater Das stellten in den 1980er Jahren auch viele Bera- terinnen und Berater von Sozialberatungsstellen fest. Auch die des ifs. In der Erwachsenenberatung zum Beispiel. Ehe- oder Paarberatungen waren oft davon geprägt, dass sich die Paare vor lauter Sor- gen ums Geld, die sich oft in einem Streit entladen hatten, auf nichts anderes konzentrieren konnten als darauf, wie die Lebenshaltungskosten für den laufenden Monat aufgebracht werden können. Wenn „am Ende des Geldes noch so viel Monat übrig war“, dann stellte nicht eine gelingende Paar- oder Elternbezie- hung das wich- tigste Thema dar, sondern es ging nur noch darum, ob die Miete, die laufenden Versi- cherungen und der Wocheneinkauf noch drinnen liegen oder die Bank das Konto bereits gesperrt hatte. Das alles führte in den Jahren 1986/87 zur Planung und zum Aufbau eines speziellen Beratungange- botes für Menschen mit Schuldenproblemen. ○ Nach dem zweiten Weltkrieg war es für Privat- personen äußerst schwer, einen Konsumkredit zu bekommen. Die Banken verhielten sich diesbezüg- lich sehr zurückhaltend. Beispielsweise mussten zu Beginn der 1970er Jahre viele Sicherheiten vor- handen sein, um einen Kredit für ein Konsumgut zu bekommen. Ein Ausweg war aber schon damals das Überziehen des Gehaltskontos, was allerdings mit vielen Hürden verbunden war. Als aber im Jahr 1983 die Beschränkung der Banken, für Pri- vatkredite zu werben, fiel, war dies der Anstoß für die Verschuldung zahlreicher Privatpersonen. Das damals geltende Existenzminimum für Lohn- exekutionen betrug knapp über 3.300 Schilling (ca. 235 Euro). Daher war es für Banken sehr lukrativ, Kleinkredite zu vergeben, denn durch eine Lohn- pfändung war ein schneller Zugriff auf das Einkommen des Schuldners möglich. Als es im Jahr 1986 zudem für alle Gläubiger möglich wurde, beim Hauptverband der Sozialver- sicherungsträger abzufragen, wo jemand beschäftigt ist, um die Lohnexekution an diesen Arbeitsplatz zuzustellen, lief die Kreditvergabe an Private wie am Schnürchen. Bis dahin hatten von dieser Möglichkeit nur die Unterhaltsgläubiger Gebrauch machen können. „Anna, den Kredit hamma“ Vor allem die Aktion der damaligen P.S.K. Bank „Anna, den Kredit hamma“ war ein Ausdruck für das beinahe schrankenlose Werben der Banken für die Vergabe von Privatkrediten. Eine Bank warb mit dem Slogan „Pump dir deine Wünsche“ und eine andere mit der „Einkaufsreserve“ für den Kontoüberzug. Viele Menschen wähnten sich dadurch in der Gewissheit, dass der Kontoüberzug oder ein Konsumkredit so etwas wie „gesetzlich verbürgt“ wären, und handelten auch gemäß die- ser Devise. Und die Banken, die gaben gerne. „Eine Bank warb mit dem Slogan ,Pump dir deine Wünsche‘ und eine andere mit der ,Einkaufs- reserve‘ für den Konto- überzug.“ „Wenn ,am Ende des Geldes noch so viel Monat übrig war‘, dann stellte nicht eine gelingende Paar- oder Eltern- beziehung das wichtigste Thema dar, sondern es ging nur noch darum, ob die Miete und der Wocheneinkauf noch drinnen liegen oder die Bank das Konto bereits gesperrt hatte.“

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