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9 Pinioniere und Vordenker schwelle von 1.238 Euro (für 2018) liegt, nämlich bei 933 Euro (für 2019) für eine alleinstehende Person. Aus dem Jahr 1987 stammt ein erstes Konzept für ein „Finanzberatungs- und Schuldensanierungs- modell“ 2 von Julius Schedel. Kernstück war ein Vier-Stufen-Modell: 1 Transparenz 2 Arbeiten auf Augenhöhe zwischen Gläubigern und Schuldnern 3 Seriöses und wirtschaftlich vernünftiges Angebot an Gläubiger (keine „Bettelei“) 4 Erkenntnis und Mitarbeit der Betroffenen Theo Kremmel Auch Theo Kremmel zählt zu den wichtigen handelnden Personen. Er war zu dieser Zeit Fachbereichsleiter im Amt der Vorarlberger Landesregierung und unter anderem für Soziale Angelegenheiten zuständig. Er berichtet – ganz in Übereinstimmung mit Julius Schedel – dass dieser die Problematik nachvollziehbar und konzeptio- nell gut begründet vorgebracht habe. Die wesent- lichen Punkte des Sozialhilfegesetzes „Hilfe zur Führung eines menschenwürdigen Lebens“ und „Sicherung einer Existenzgrundlage“ seien darin berücksichtigt gewesen. Zudemmeint Theo Kremmel, dass Julius Schedel als „Pionier“ gut geeignet gewesen sei, ein sol- ches Angebot „aus der Taufe“ zu heben. Vor allem die Kooperation mit dem ifs habe es dem Land Vorarlberg leicht gemacht, das Vor- haben „Schulden- beratung“ umzu- setzen. Denn es war klar, dass Schuldenberatung ein komplexes Angebot in der Sozialen Arbeit sein würde, das bei einer Einrich- tung wie dem ifs gut aufgehoben wäre. Wichtig für Theo Kremmel war auch die Tatsache, dass Man- fred Dörler, damaliger ifs Geschäftsführer und späterer Präsident des Landtages, von Anfang an hinter diesem Projekt stand und das Angebot mit Offenheit vorgestellt wurde. Damit konnten einige Vorbehalte von vornherein abgebaut werden. Peter Kircher Dr. Peter Kircher, der in den 1990er Jahren Direk- tor der Wirtschaftskammer Vorarlberg und davor Günther Hagen Rechtsanwalt Dr. Günther Hagen gilt als ein wei- terer „Vorkämpfer“ für eine sinnvolle Entschul- dung und Unterstützung von überschuldeten Personen. Durch seine Kontakte über die Inter- national Association of Young Lawyers (AIYA, Internationale Verbindung der jungen Anwälte) hatte er schon sehr früh Infor- mationen bezüglich der Mög- lichkeiten der Entschuldung Privater in den Niederlanden erhalten. Rechtsvergleiche – zum Beispiel mit der Schweiz (früher ein armes Land, das darauf setzte, Arme wieder in einen „handlungsfähigen“ Status zu versetzen) oder mit den USA (obwohl sehr kapitalistisch normiert mit schuldnerfreundlichen Lösungen ausgestattet) – bestärkten ihn in seiner Einschät- zung, dass es im Gegensatz zu diesen Staaten in Österreich – einem ehemals habsburgisch/guts- herrschaftlich geführten Land – üblich ist, die Tra- dition der „Knechtschaft“ zu pflegen. Schuldner waren immer auch „schuldig“. Die Exekutionsord- nung vernichtete Schuldner und Schuldnerinnen, anstatt sie aus der Überschuldung zu heben und wieder zu einem Teil der (Wirtschafts-)Gesell- schaft zu machen. Sein Ziel war daher die Ermögli- chung eines so genannten „Armeleutekonkurses“. Vorarlberger Initiative Angesetzt haben Julius Schedel und Günther Hagen mit einer „Initiative Vorarlberger Sozialein- richtungen zur Änderung des Lohnpfändungs- Gesetzes und einiger Bestimmungen der Exekuti- onsordnung“. Diese Forderungen überreichte der damalige ifs Geschäftsführer Manfred Dörler im Mai 1986 im Rahmen einer Tagung der ifs Sach- walterschaft in Feldkirch an Harald Ofner, den damals amtierenden Bundesminister für Justiz. 1 ImWesen zielte diese Initiative darauf ab, die star- ren Regelungen des Lohnpfändungsgesetzes flexi- bler und der Lebensrealität der Menschen ange- passter zu gestalten. Hingewiesen wurde schon damals auf die Schweiz, die ein schuldnerfreund- licheres und volkswirtschaftlich vernünftigeres Betreibungswesen kennt, als dies in Österreich der Fall ist. Geändert wurde seit damals nichts Wesentliches. Nur die Beträge des Existenzmi- nimums wurden angehoben – auf ein Niveau, das immer noch unter der Armutsgefährdungs- „Das Schicksal der Schuldner und Schuldnerinnen wurde nicht gesehen. Wer Schulden hatte, dem wurde das als Nachlässigkeit oder gar Fahr- lässigkeit zugeschrieben.“ „Rechtsvergleiche bestärk- ten ihn in seiner Ein- schätzung, dass es in Österreich – einem ehe- mals habsburgisch/guts- herrschaftlich geführten Land – üblich ist, die Tra- dition der ,Knechtschaft‘ zu pflegen.“

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