ifs_zeitschrift_sib_jubilaeum_16

10 Jahre SIB 10 in Vorarlberg positionierten. Dies war umso mehr ein Meilenstein für uns, da sich das ifs bis dato pri- mär im psychosozialen Bereich bewegt hatte. Einen weiteren Einfluss auf die praktische Arbeit des SIB hat die Traumatheorie, denn ausnahmslos alle Klienten, welche behandelt werden, leiden auf unterschiedlichste Art und Weise auch unter Bindungstraumata. Die Betreuungspersonen sind nicht als Psychotherapeuten tätig und versuchen auch nicht, diese häufig sehr schweren Traumata in ihrer Tiefe aktiv zu erfassen und zu lösen. Im Gegenteil – es wird von der Grundhaltung dem Klienten gegenüber ganz bewusst darauf geach- tet, dass nicht aktiv „nachgebohrt“ wird. Das primäre Ziel ist die Stabilisierung der Klienten im Hier und Jetzt und nicht im Suchen nach Grün- den und Ursachen für das gezeigte ge- störte Verhalten. Dies bedeutet aber im Umkehrschluss nicht, dass wir im SIB die schweren Traumata der Klienten negieren. Jedoch steht deren Stabilisie- rung 5 klar im Zentrum. Erst wenn diese erfolgt ist und sich die notwendige Bindung zwischen der Betreuungsperson und dem Klienten entwickelt hat, sodass dieser langsam beginnt, von sich aus seine tiefen Verletzungen zu zeigen, werden solche Inhalte bearbeitet. Dabei wird der Klient innerhalb der Betreuung soweit in die Eigenverantwortung geführt, dass er dann selbst darüber entscheiden kann, ob er eine psychotherapeutische Hilfe in An- spruch nimmt oder nicht. Selbstverständlich aber werden Klienten, wenn sie bei diesem Prozess Hil- fe benötigen, unterstützt. Ein weiteres Ziel dieser Form der Einzelbetreuung ist es, den Klienten noch einmal in ihrem Leben die Chance eines familienähnlichen emotionalen Erle- bens und des damit einhergehenden (Nach-)Rei- fens 6 zu ermöglichen. Denn in einer Familie bre- chen die primären Bezugspersonen die Beziehung und die damit einhergehende zentrale Bindung 7 zu ihren Kindern auch nicht einfach ab, wenn diese, beispielsweise in der Adoleszenz, beginnen, sich gegen die Regeln und Normen ihres Elternhauses zu stellen. Eltern wissen, dass es gerade in dieser Krisenzeit von zentraler Bedeutung ist, hinter ihren Kindern zu stehen und diese dadurch zu stützen und ihre Bindung zu ihnen aufrecht zu erhalten. Risiken in Kauf nehmen Am folgenden Beispiel soll unsere grundlegende Haltung im Umgang mit aufkommenden Proble- men zum Ausdruck kommen. Diese Haltung ist essentiell für das gesamte Konzept des SIB. Wären wir alle – die im SIB Arbeitenden, aber auch die Geschäftsführung – nicht bereit, diese Haltung zu 100 Prozent mitzutragen, wäre die Verwirklichung des Konzeptes unmöglich gewesen. Diese Haltung zeichnet sich dadurch aus, dass man es bewusst wagt, völliges Neuland in puncto sozialpsychiat- rische Betreuung zu betreten und dafür aber auch bereit ist, die damit einhergehenden Risiken zu verantworten. Jedoch können diese Risiken nicht vorweg in alle nur erdenklichen Richtungen kal- kuliert werden, sondern es wird praktisch im Hier und Jetzt nach bestemWissen und Gewissen gear- beitet und man kümmert sich dann um ein Pro- blem, wenn dieses auch wirklich auftaucht. Eine Interventionsform wie die des SIB wird niemals, unter keinen Umständen, zu 100 Prozent sicher gestaltet werden können. Denn der Aspekt der in- dividuellen Freiheit der betreuten Klienten und der damit einhergehende Verzicht auf „struktu- relle Gewalt“ in jeder Weise verhindert eine letzte Absicherung gegen auftretende Risiken. Beispiele für solche im praktischen Tun auftre- tende Probleme, welche aber letztlich auch wiede- rum zur Weiterentwicklung des Konzeptes beige- tragen haben, waren beispielsweise zwei durch die Klienten selbst verursachte Hausbrände. Bei einem davon wurde das gesamte Haus zerstört und auch ein Mitarbeiter verletzt. Selbstverständ- lich lösten diese Ereignisse massive Krisen aus, jedoch zweifelten wir grundsätzlich nie daran, mit dem Konzept auf dem richtigen Weg zu sein. Dennoch setzten wir uns mit der berechtigten Kritik auseinander und nutzten die Erfahrungen, um die Arbeit aber auch das Konzept zu ver- bessern. So zeigte die nach- trägliche Analyse dieser zwei Fälle beispielsweise, dass die Klienten derart massive Defizite im Bereich ihrer Ich-Struktur aufwiesen, dass sie mehr stützende Struktur von außen benö- tigt hätten. Mittlerweile wird selbstverständlich genau auf solch individuelle Anforderungen „Selbstverständlich lösten diese Ereignisse massive Kri- sen aus, jedoch zweifelten wir grundsätzlich nie daran, mit dem Konzept auf dem rich- tigen Weg zu sein.“ „Einen weiteren Einfluss auf die praktische Arbeit des SIB hat die Trauma- theorie, denn ausnahms- los alle Klienten, welche behandelt werden, leiden auf unterschiedlichste Art und Weise auch unter Bindungstraumata.“

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