ifs_zeitschrift_sib_jubilaeum_16

13 Jubiläum 2016 Jugendlichen zunächst ins Außerfern/Tirol und sind nun endlich gut in Schönwies gelandet. Der- zeit werden dort zwei Klienten betreut. Aufgrund der guten Zusam- menarbeit war es dann 2013 der Wunsch der Tiroler Fachab- teilung, dass wir ein Intensiv- projekt für äußerst komplexe autistische Klienten aufbauen. Dies erfolgte gemeinsammit Dr. Elvira Joan Muchitsch aus Wien und stellt nun mittlerweile seit drei Jahren ein sehr erfolgreiches Programm dar, welches in das Regelangebot über- nommen wurde. Aktuell ist geplant, die Wohn- formen auszuweiten. Dynamisch und praxisnah Somit kann zusammenfassend festgehalten wer- den, dass es sich beim SIB um ein dynamisches und vor allem aus der Praxis abgeleitetes Konzept handelt. Nahezu alles veränderte sich im Laufe der Zeit. Die erste Klientin wurde beispielsweise lediglich ein halbes Jahr intensiv begleitet. Heute dauert eine solche Begleitung in den allermeisten Fällen zwei Jahre. Erst mit der Zeit kristallisierten sich, abgeleitet aus der reinen Praxis, theoretische Grundpfeiler heraus. Zum einen werden diese durch die bereits erwähnte strukturtherapeutische Arbeit nach Gerd Rudolf sowie durch die OPD-Diagnostik ge- bildet. Zum anderen erlangte dann später gerade die Bindungstheorie immer mehr an Bedeutung, die im derzeit aktuellen Konzept gemeinsammit der Strukturtherapie das Herzstück bzw. den Boden bildet. ○ 1 Detaillierte Informationen hierzu sind im Buch „1000 Mei- len gegen den Strom“ von M. Gasser zu finden. 2 Das Wort „Reparenting“ meint so viel wie Neubeelterung. Diese Methode wird in der Psychotherapie angewendet und stellt einen wesentlichen Bestandteil der therapeutischen Beziehung dar (vgl. Young 2005: 83). 3 Bei der Operationalisierten Psychodynamischen Dia- gnostik handelt es sich um ein psychodynamisches Dia- gnosesystem, welches im Speziellen für psychoanalytisch und tiefenpsychologisch fundiertes Arbeiten mit Klienten konzipiert wurde. 4 2015 wurde der Name „Sozialpsychiatrische Intensivbe- treuung“ in „Sozialpsychiatrische Individualbetreuung“ geändert. 5 Hier geht es primär um die Stabilisierung der „ICH-Struk- turen“ der Person. Denn es wird heutzutage im schulmedi- zinischen sowie klinisch psychologischen Bereich davon ausgegangen, dass es erst dann sinnvoll ist, Traumata in ihrer Tiefe zu bearbeiten und zu lösen, wenn die „Ich-Struk- turen“ der betroffenen Person soweit stabilisiert sind, dass sie einer solchen Bearbeitung gewachsen sind. Ansonsten führt eine Traumatherapie nur zu einer „Retraumatisie- rung“, welche den Gesundheitszustand des bereits stark angeschlagenen Klienten nur noch einmal verschlechtern würde (vgl. Fischer/Riedesser 2009). 6 Wissenschaftlich fundierte Theorien zum Thema „Emo- tionales Nachreifen“ sind z. B. „Das Konzept der einbin- denden Kultur“ nach Robert Kegan, welches die zentrale Bedeutung der Bindung und der kontinuierlichen Bezie- hungsangebote beschreibt, und „Das Konzept Container und Contained“ nach Wilfried Bion. 7 Bowlby beschreibt diese 1973 mit folgenden Worten: „Unter Bindung versteht man ein lang andauerndes, affek- tives Band zu ganz bestimmten Personen, die nicht ohne weiteres auswechselbar sind, deren körperliche, psychische Nähe und Unterstützung gesucht wird, wenn z. B. Furcht, Trauer, Verunsicherung und Krankheit, Fremdheit usw. in einem Ausmaß erlebt wird, das nicht mehr selbstständig zu regulieren ist“ (Bowlby 1973, zit. nach Seiffge-Krenke 2004: 60). Literaturhinweis: Fischer, Gottfried/Ridesser, Peter (2009): Lehrbuch der Psy- chotraumatologie. München, Basel: Ernst Reinhardt Verlag. Gasser, Martina (2008): 1000 Meilen gegen den Strom. Neue Wege im Umgang mit Jugendlichen und deren Eltern in chronifizierten Krisen. Augsburg: Ziel Verlag. Kathan, Christian (2016): Sozialpsychiatrische Intensiv- betreuung (SIB). Eine einzigartige Intervention zur Be- handlung schwerster Bindungsstörungen. Eine Darlegung der spezifischen Methoden des sozialpsychiatrisch-thera- peutischen Entwicklungsangebots mit synergetisch-modu- laren Elementen. Masterarbeit. Leopold-Franzens-Universi- tät Innsbruck. Kegan, Robert (1994): Die Entwicklungsstufen des Selbst. Fortschritte und Krisen immenschlichen Leben. München: Kindt Verlag GmbH. Rudolf, Gerd (2013): Strukturbezogene Psychotherapie. Leitfaden zur psychodynamischen Therapie struktureller Störungen. Stuttgart: Schattauer Verlag. Seiffge-Krenke, Inge (2004): Psychotherapie und Entwick- lungspsychologie. Beziehungen, Herausforderungen, Res- sourcen, Risiken. Berlin, Heidelberg: Springer Verlag. Yalom, Irvin D. (1989): Theorie und Praxis der Gruppenpsy- chotherapie. Ein Lehrbuch. München: Klett-Cotta Verlag. Young, Jeffrey E./Klosko, Janet S./Weishaar, Marjorie E. (2005): Schematherapie. Ein praxisorientiertes Handbuch. Paderborn: Junfermann Verlag. Teile des Artikels sind aus der Transkription eines Interviews, das Christian Kathan für seine Masterar- beit „Sozialpsychiatrische Intensivbetreuung (SIB)“ mit Martina Gasser führte, übernommen. Dr. Martina Gasser Leiterin der Fachgruppe ifs Sozial- psychiatrische Individualbetreuung „Das bedeutete auch, dass wir dem Themenbereich der Sozialpsychiatrie im gesamten ifs mehr Gewicht gaben und un- sere Themen vermehrt einbringen konnten.“

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