ifs_zeitschrift_sib_jubilaeum_16

19 Jubiläum 2016 in Bezug auf den Strukturaufbau sieht der Autor in der dreifachen Form der Zuwendung zum Patienten. So stellt sich der SIB-Betreuer anfangs primär „hinter“ seinen Klienten. Denn in dieser Position kann sich die Bezugsperson mit dem Klienten bestmöglich identifizieren und erkennen, wie der Klient die Objektwelt erlebt. Erstens teilt die Bezugsperson durch diese Position dessen Erleben und kann dieses würdigen, zweitens stellt sie dem Klienten später zusätzlich sein Erleben (Emotion, Wahrnehmung) bzw. seine „Ich-Funktionen“ zur Verfügung. Exakt diese Art, zum Klienten zu stehen, be- schreibt Wilfried Bion mit seinemModell des „Container“. Die SIB-Klienten können anfangs mit ihren als unerträglich erlebten Ängsten nur dadurch umgehen, dass sie sie von sich abspalten und in ein Objekt projizieren. Dieses Objekt ist nun der SIB-Betreuer. Das bedeutet, dass dieser durch seine bewusst gewählte Positionierung den dyna- mischen Transformationsprozess der Abspaltung und Projektion der überfordernden und angst- besetzten Gefühle des Klienten anfangs sogar bewusst fördert (vgl. Lazar 1993: 72) und diese pro- jizierten Gefühle interpersonalisiert. Die Bezugs- person dient auf diese Weise als emotionaler Regulator, der mittels Symbolisierung die über- fordernden Affekte des Klienten soweit modifiziert, dass sie für diesen bewältigbar werden. In einfachen Worten ausgedrückt und bezugnehmend auf Bion macht sich der Betreuer zum Emotionscontainer seines Klienten. Langfristig gesehen lernt sich der Klient durch diesen Prozess besser zu verstehen. Die dadurch in Gang gesetzte Nachreifung seiner psychischen Strukturen wirkt sich positiv auf dessen Identitätsbildung aus (vgl. Lüders 1997: 87). Im Laufe der Betreuung ist es ebenso zentral, sich „neben“ den Klienten zu stellen, da hierdurch der Perspektivenwechsel nach außen gefördert wird. Der Betreuer kann aus dieser Position gemeinsam mit seinem Klienten die aktuelle Situation bzw. das sich gerade zeigende Phänomen ideal betrach- ten. Der Klient erlernt auf diese Weise ein gewisses Maß an Selbstreflexion, da er die Erfahrung macht, gemeinsammit der Bezugsperson aus der Perspek- tive eines Dritten die eigentliche Situation und sein dazugehöriges Erleben zu betrachten. In einem weiteren Schritt kann das dabei Erkannte mit dem Klienten auf dessen emotionale Bedeu- tung hin analy- siert werden. Des Weiteren wird der Klient dabei unterstützt, das Ganze in eigene Worte zu fassen und später – wenn möglich – in sehr basalen metaphorischen Bildern zu beschreiben (vgl. Eife 2008: 411f.). Im Fokus des Ansatzes steht folglich der Prozess der Entwick- lung reflexiver Kompetenzen. An dieser Stelle wird die Verbindung zwischen der bewussten seit- lich zum Klienten ausgerichteten Position und der von Fonagy et al. (2004) entwickelten Mentalisie- rungstheorie gezogen. Denn besonders für Fonagy et al. stellt die psychische Selbstentwicklung einen intersubjektiven Prozess dar. Insofern betonen auch sie, dass sich der Selbstkern des Menschen durch die Art und Weise konstituiert, wie er im Laufe seiner Entwicklung von seinen primären Bezugspersonen gesehen wurde (vgl. Fonagy et al. 2004: 320f.). Dass dieser Prozess der Entwicklung der Mentali- sierungsfähigkeit durchaus noch im Jugendalter erneut angeregt werden kann, belegen Fonagy und seine Mitarbeiter durch Untersuchungen. Sie ver- anschaulichen, dass der Grad der Selbstreflexion beim gesunden Menschen vom Säuglingsalter bis zum Erwachsenenalter kontinuierlich zunimmt (vgl. Fonagy et al. 2004: 320f.). Als wesentlichen Einflussfaktor für den erneuten Anstoß des Pro- zesses sehen die Autoren die Bindungsqualität zu den primären Bezugspersonen, die in diesem Fall die Betreuungspersonen darstellen. Die Thesen belegen sie wiederum durch Untersuchungen, die zeigen konnten, dass sich sicher gebundene Jugendliche signifikant leichter von ihren Bezugs- personen lösen und eine eigene Identität entfal- ten können als unsicher gebundene Jugendliche. Daraus schließen sie, dass eine sichere Bindung dafür mitverantwortlich ist, dass sich bei Jugend- lichen eine ausgeprägte Selbstempfindung sowie eine organisierte Wahrnehmung der innerlich er- lebten Zustände entwickelt, die wiederum Grund- voraussetzungen für die Entwicklung einer gesun- den Identität sind (vgl. Fonagy et al. 2004: 320f.). Die vom SIB-Betreuer im Verlauf der Intervention gegebenen verbalen Rückmeldungen und Reakti- onen verhelfen dem Klienten zu einem Bewusst- „In einem weiteren Schritt kann das dabei Erkannte mit dem Klienten auf dessen emotionale Bedeutung hin analysiert werden.“ „In einfachen Worten ausgedrückt und bezug- nehmend auf Bion macht sich der Betreuer zum Emotionscontainer sei- nes Klienten.“

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