ifs_zeitschrift_sib_jubilaeum_16

10 Jahre SIB 24 Zahl von familienstrukturellen Varianten und Prekarisierung herangezogen werden. Gleichzeitig wird die Belastung von Kindern und Jugendlichen durch ihre psychisch kranken Eltern (zu) spät erkannt und die Möglichkeiten, durch ambulante, familienzentrierte Maßnahmen ausreichend stabilisierend eingreifen zu können, überschätzt. Nicht nur, dass Kinder von psychisch erkrankten Eltern(teilen) ein wesentlich höheres Risiko haben, selbst psychische Probleme zu ent- wickeln, kumulieren häufig verschiedene psycho- soziale Belastungsfaktoren und damit Risiken für die kindliche Entwicklung. Diese Kinder werden zu lange zwischen Institu- tionen und Elternteilen hin- und hergeschoben, ohne dass erkannt und entschieden wird, dass nur eine Herausnahme aus dem familiären Milieu dem völlig überforderten familiären Systemmit ent- sprechendem Gefährdungspotential gerecht wer- den kann. Mehr als die Hälfte aller stationär behandelten Kinder und Jugendlichen haben mindestens einen psy- chisch kranken Elternteil, teilweise ist der Grad der se- kundären Schädigung enorm. Auch diese betroffenen Kin- der und Jugendlichen bilden nach längerer Odyssee durch die psychosoziale Landschaft ohne wirksame Hil- feangebote einen Teil der späteren SIB-Klienten ab. Der häufig zitierte Satz: „Die Aufgabe der Kinder- und Jugendpsychiatrie ist, sich überflüssig zu ma- chen“ könnte auch auf das SIB angewendet wer- den. Allerdings deuten die aktuellen Zahlen und Inanspruchnahme in eine völlig andere Richtung. Ohne geeignete Maßnahmen sind für diese kom- plexen Fälle problematische Entwicklungsverläufe ohne Aussicht auf Teilhabe vorgezeichnet. Das Land Vorarlberg setzt mit der Finanzierung der Sozialpsychiatrischen Individualbetreuung ein wichtiges Zeichen in der Umsetzung der UN- Kinderrechtskonvention: das Recht auf Leben und Entwicklung. ○ Verwahrungsort für diese Kinder und Jugendliche funktionalisiert und die damals fehlende Versor- gungsstruktur erhöhte durch den langen Verbleib der Kinder und Jugendlichen im stationären Kon- text den chronischen Bettendruck zusätzlich. Um dieser Gruppe von Kindern und Jugendlichen gerecht werden zu können wurde das Konzept des SIB entwickelt. Eine stationäre Maßnahme, personal- und kostenintensiv, die auf eine plurale Methodik setzt, die Bedeutung der Beziehungen herausstreicht, sich psychotherapeutisch der Verbesserung psychostruktureller Defizite widmet und bemüht ist, unter al- len Umständen „zu bleiben“. In diesem Konzept war von Anfang an eine Zusammenarbeit und enge Verzahnung zwischen der stationären Kinder- und Jugendpsychiatrie vorgesehen, ins- besondere die Möglichkeit einer unkomplizierten (Wieder-)Aufnahme im Zusammenhang mit un- vermeidbaren Krisensituationen mit Selbst- und Fremdgefährdungspotential. Diese Zusammenarbeit war gerade in den An- fangsjahren oft holprig, durch Skepsis bzw. Kritik von Seiten des Krankenhauses geprägt. Zwischen- zeitlich konnte sich eine gelungene Kooperation entwickeln, die sich an den jeweiligen Rahmen- bedingungen, Verantwortlichkeiten, fachlichen Kompetenzen und Grenzen des jeweils anderen Systems orientiert. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die auf- grund ihrer komplexen strukturellen Defizite und externalisierenden Störungen, vor allem auch fehlender Gruppenfähigkeit, nicht mehr in den vorhandenen sozialpädagogischen Regelsyste- men aufgenommen werden können, nimmt stetig zu. Diese Entwicklung, die grundsätzlich mit der Zunahme und vor allem Bedeutsamkeit psychi- scher Störungen bei Kindern und Jugendlichen korreliert, wird auch von den niedergelassenen Kollegen festgestellt und bestätigt. Ohne zum jetzigen Zeitpunkt die Frage nach der Ursächlichkeit dieses Phänomens zu beantworten, können in diesem Zusammenhang als Schlagworte gesamtgesellschaftliche Veränderungen, die zu- nehmende Arbeitslosigkeit, eine zunehmende Prim. Dr. Maria Katharina Veraar Leiterin Kinder- und Jugendpsychiatrie LKH Rankweil „Auch diese betroffenen Kinder und Jugendlichen bilden nach längerer Odyssee durch die psy- chosoziale Landschaft ohne wirksame Hilfean- gebote einen Teil der spä- teren SIB-Klienten ab.“ „Mehr als die Hälfte aller sta- tionär behandelten Kinder und Jugendlichen haben mindestens einen psychisch kranken Elternteil, teilweise ist der Grad der sekundären Schädigung enorm.“

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