ifs_zeitschrift_sib_jubilaeum_16

37 Jubiläum 2016 erfordern nun unser eigenes Zutun. Das Wissen über die Möglichkeit der Verbunden- heit und des eigenen Wachstums jedoch tragen wir in uns. Immerfort sind wir als Lebewesen in irgendeiner Weise mehr oder weniger stark ver- bunden – alleine schon auf Grund der Tatsache, dass wir lebendig sind und dadurch auch auf andere wirken. Gleichzeitig sind wir aber auch ein von anderen getrenntes Individuum. Dieses „Sowohl als auch“ ist ein Umstand, welcher uns vom frühesten Beginn unserer Existenz bis zu unserem Lebensende begleitet. Ein Streifzug durch die Fachliteratur Bei einem Streifzug durch die Literatur wird deut- lich, dass sich Entwicklungspsychologen, Psychi- ater, Neurobiologen und andere Wissenschafter schon seit geraumer Zeit mit dem Thema Bindung auseinandersetzen und dahingehend Forschungs- arbeit betreiben. Die Terminologie, welche den un- terschiedlichen Berufsgruppen eigen ist, unter- scheidet sich zwar, jedoch scheinen die Studien alle dasselbe Phänomen zu beschreiben. John Bowlby, ein britischer Kinderarzt und Pio- nier der Bindungsforschung war gemeinsam mit dem schottischen Psychoanalytiker James Robertson und der US-amerikanisch-kanadischen Entwicklungspsychologin Mary Ainsworth ein Wegbereiter der Bindungsforschung. Mit seinem 1969 erschienenen Buch „Bindung – Eine Analyse der Mutter-Kind-Beziehung“ begründete Bowlby die Bindungstheo- rie. In seinemWerk spricht er über Bin- dungs- und Explora- tionsverhalten . Unter Bindung ver- steht Bowlby eine enge emotionale Beziehung zwi- schen Menschen. Das Neugeborene entwickelt in der ersten Lebensphase eine ganz besondere Bezie- hung zu seinen Eltern oder anderen verfügbaren Personen. Im Falle einer realen oder subjektiv er- lebten Gefahr sucht es Beruhigung, Schutz und Geborgenheit bei seinen Bezugspersonen. Diese Suche nach Nähe kann sowohl durch Blickkontakt als auch durch das Herstellen von körperlichem Kontakt geschehen. Das beobachtbare Bindungs- verhalten zeigt sich in Verhaltensweisen wie Fest- klammern, Weinen, Lächeln. Bowlby postuliert in seinen Ausführungen, dass Kinder, die in einer engen emotionalen Beziehung zu ihnen naheste- henden Menschen leben, das ihnen angeborene Erkundungsverhalten zeigen. Karl Heinz Brisch, Facharzt für Kinder- und Jugend- psychiatrie, entwickelte die integrative therapeu- tische Praxis auf den Grundlagen von Bowlbys Bindungstheorie. In seinem Buch „Bindungsstö- rungen“ zeigt Brisch Möglichkeiten auf, psychische Störungen auf dem bindungstheoretischen Hinter- grund zu erkennen und zu behandeln. Ein zentraler Aspekt der „bindungsbasierten Psy- chotherapie“ ist das Konzept der Feinfühligkeit und der Beachtung kindlicher Signale. Dadurch wird eine angstfreie und sichere Bindung gewähr- leistet, welche die Grundlage für die therapeuti- sche Arbeit bildet. Demzufolge soll die therapeutische Haltung eine empathisch-behutsame sein. Der Therapeut muss vom Patienten als verlässliche Basis erlebt werden, damit Probleme in emotionaler Sicherheit bearbeitet werden können. Die Initiative zur Be- endigung der Therapie geht in diesem Setting immer vom Patienten aus. Dadurch wird eine subjektiv erlebte Zurückweisung des Pati- enten von Seiten des Therapeuten verhindert. Der italienische Neurophysiologe Giacomo Riz- zolatti entdeckte 1992 die Spiegelneuronen im menschlichen Gehirn. Diese Zellen ermöglichen es demMenschen, das zu fühlen, was ein anderer fühlt. Seit Jahren beschäftigen sich Neurobiologen wie Gerald Hüther und Joachim Bauer intensiv mit diesem Thema. Gerald Hüther verwendet in seinem 2012 erschie- nenen Buch „Die Freiheit ist ein Kind der Liebe“ die Begriffe Liebe und Freiheit, welche in seinen Ausführungen synonym zur Formulierung der Verbundenheit und Exploration verstanden wer- den können. Neugeborene suchen nach der Geburt Sicherheit, Geborgenheit und Schutz. Durch die körperliche Zuwendung und den Blickkontakt mit der Bezugs- person wird dieses Bedürfnis nach Nähe befrie- digt. Dabei ist das Einfühlungsvermögen des Erwachsenen von wesentlicher Bedeutung. Joachim Bauer beschreibt in seinem Buch „Lob der Schule“ die Beziehung zwischen Kindern und „Dadurch wird eine angst- freie und sichere Bindung gewährleistet, welche die Grundlage für die thera- peutische Arbeit bildet.“ „Diese Suche nach Nähe kann sowohl durch Blick- kontakt als auch durch das Herstellen von kör- perlichem Kontakt geschehen.“

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