ifs_zeitschrift_sib_jubilaeum_16

47 Jubiläum 2016 den eigenen Angehörigen sind wir selbst befangen, wenn diese in Not sind. Ich erlebe das auch bei an- deren Mitarbeitern in WGs, dass sie, wenn sie in einer intesiven Bezugspersonen-Arbeit sind, den Wald manchmal vor lauter Bäumen nicht mehr sehen und betriebsblind werden.“ Kam es zu einem negativen Vorfall im Rahmen der Begleitung (z. B. Straffälligkeit auf Seiten der Klienten), führte dies zu einer negativen Bewer- tung des Konzeptes, der Beziehungsarbeit und zur Erwähnung von eventuell fehlenden Aspekten im Konzept. Von den Klienten selbst wurde immer wieder das Erleben einer wertschätzenden Beziehung als eine positive und anhaltend nachwirkende Erfahrung erwähnt. Ähnliche Aussagen kamen in den Inter- views mit Klienten und Angehörigen häufig vor: „Sollten sie etwas anders machen?“ „Eigentlich nicht, ich finde die Arbeit, die sie machen, eigentlich super. Etwas ändern sollten sie eigentlich nicht, sie sollen so weiter machen. Es hat mir gefal- len. Ich würde es nochmal zwei Jahre machen. Vor allem sind es gute Menschen. Ich habe mich wohl gefühlt, es war wie eine Familie für mich.“ Die Angehörigen führten an, dass sie sich einbe- zogen gefühlt und sich weiterentwickelt hätten. Verantwortung abzugeben sei nicht immer leicht gewesen. Zusammenfassung Die Auswertung der E.V.A. zeigt aus interner und externer Sicht auf, dass das SIB eine Maßnahme darstellt, welche effektive, tiefere Ebenen errei- chende Veränderungen herbeiführt und den Be- troffenen in weiterer Folge eine Teilhabe am so- zialen Leben ermöglichen kann. Ausschlaggebend für die erkennbar positiven Effekte sind - die intensive beziehungsfokussierte und sich über einen längeren Zeitraum erstreckende Betreuungsform, - die systemische, einbindende, klar konzeptio- nierte Methodik, - die individuelle Anpassung der Unterstützungs- form (der Module, der Phasendauer, der Betreu- ungsintensität, …) an die Bedürfnisse und Erfor- dernisse der jeweiligen Person, - die Einbeziehung und Begleitung der Eltern/des sozialen Umfeldes, - die behutsame Gestaltung der Übergänge, - das Ermöglichen eines Aufbaus einer tragfähi- gen Beziehung, - die Förderung von Selbstbestimmung und Selbstwirksamkeit, - die inklusive Ausrichtung des Konzepts, - die Nutzung lebensraumnaher offener Angebote. Vor allem an den emotional-sozialen Veränderun- gen konnten die Effekte nachvollzogen werden. Die Beziehungsarbeit spielt insgesamt eine zen- trale Rolle. Ihre Auswirkungen auf die emotionale Situation und die Emotionsregulationsmechanis- men ließen sich eindeutig belegen. Emotionale Auffälligkeiten, sozial unerwünschte Verhaltensreaktionen traten natürlich nach wie vor auf, aber deren Häufigkeit, deren Ausprägung und deren Stärke reduzierten sich oder sie verän- derten sich in Richtung einer konstruktiveren Form. Außerdem ließ sich im Hinblick auf die Fähigkeit zur Selbstreflexion eine Veränderung feststellen. Ein weiterer wesentlicher aus den Ergebnissen hervorgehender Punkt ist die hohe Relevanz der Stabilität der Betreuungsperson. Regelmäßige Supervisionen, Selbsterfahrungseinheiten, fixe kurzfristig verfügbare Ansprechpersonen bei Kri- sen etc. sollten neben fachlich fundiertemWissen und teaminternen Austauschmöglichkeiten den Betreuungspersonen in einer umfassenden Form zur Verfügung stehen. Die Faktoren Elternarbeit und das Einbeziehen des sozialen Umfeldes sind bereits im Konzept fest verankert und müssen weiterhin diesen wichtigen Stellenwert beibehalten, da sie die Weiterentwick- lung der Klienten gravierend mitbeeinflussen. Ebenso sollte die Pflege der Zusammenarbeit mit den Systempartnern ein fixer Bestandteil des Kon- zeptes bleiben und eventuell durch gelegentliche Austauschtreffen zum Thema „Umgang mit den Besonderheiten und Grenzen der Klienten“ zur Vermeidung von Überforderung ergänzt werden. Dass die Grundpfeiler des Konzeptes im Sinne der Inklusion ausgerichtet sind und eine lebensraum- nahe Begleitung (eine Nutzung offener Angebote) Vorrang hat, dürfte für eine als positiv erlebte Ge- staltung der Beendigung der Betreuung in einer zentralen Formmitverantwortlich sein. ○ Dr. Martina Gasser Leiterin der Fachgruppe ifs Sozialpsychiatrische Individualbetreuung Dr. Sabine Kolbitsch

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