ifs_zeitschrift_sib_jubilaeum_16

10 Jahre SIB 56 Eskalationen bzw. Verweigerungen führten oder eine Überforderung darstellten. Bei den verhal- tenstherapeutischen Interventionen kamen nega- tive Bewertungen dann zustande, wenn diese nicht zu den erwünschten Effekten führten, d. h. wenn sie nicht erfolgreich waren. Beim Autismus-spezifischen Verhalten wurde der Bereich Selbstregulation überwiegend positiv bewertet, der Bereich Stereotypien und Zwänge hingegen überwiegend negativ. Auffallend da- bei war, dass im Sinne der Selbstregulation auto- und fremdaggressive Verhaltensreakti- onen deutlich häufiger erwähnt wurden, wenn sie nicht aufgetreten waren (im Sinne des posi- tiven Umkehrschlusses). Die Stereotypien und Zwänge hingegen wurden vor allem bei Auftreten erwähnt. Die Überbetonung der Selbstregulation, Aggression und Gefährdung spiegelt offenbar deren höhere Bedeutsamkeit hinsichtlich mög- licher Belastungen für das Umfeld wider. Die Kategorie „emotionale Situation“ mit bis zu drei Vierteln positiven Beschreibungen zeigt eine deutliche emotionale Stabilisierung und hohe Re- levanz der emotionalen Verfassung. Auch Aspek- te der Kommunikation und des Sozialverhaltens belegen erfolgreiche Veränderungen in den Be- reichen verbale und nonverbale Kommunikation sowie in der zielgerichteten sozialen Interaktion. Negative Bewertungen ergaben sich dann, wenn die Kommunikation oder Interaktion in einer in- adäquaten Form erfolgte. Dies wird auch ausführ- lich in der Masterarbeit „Wirkfaktoren in der The- rapie mit Autisten“ von Silke Thurner, BA (2015: 99) belegt: „Mittels der Untersuchung konnte festgestellt werden, dass der Wirkfaktor Bezie- hung und Zusammenarbeit einer der Wichtigsten ist. Ebenso, dass hierdurch ein positiver Outcome im In-session-Outcome erzielt werden kann. Im Weiteren können spezifische Interaktionsmuster dazu führen, dass ein positiver Outcome erzielt wird. Als auch, dass mittels interaktiver Codes, die Aufmerksamkeit und die Kommunikation der zu betreuenden Person gefördert wird. Die Conclusio ist, dass ein Zusammenspiel aus Mikroebene und Interaktionssequenz zu einem positiven Outcome führt“. Anhand von Videosequenzen hat Thurner in der WG Wirkfaktoren der therapeutischen Ar- beit in Bezug auf Beziehung und Zusammenarbeit untersucht. Der Bereich der körperlichen Gesundheit zeigte auf, dass vor allem die physische Verfassung und die Schlafsituation zentrale Themen darstellten, die sich als wesentliche Einflussfaktoren für das Verhalten und das gesamte Tagesgeschehen inter- pretieren ließen. Zusammenfassung Kriterien für die erfolgreiche Arbeit waren somit: - die intensive und sich über einen längeren Zeitraum erstreckende Betreuungsform - die ganzheitliche und speziell auf die Person abgestimmte Förderung - die Fokussierung auf die Erreichung einer größtmöglichen Selbstständigkeit - die klar konzeptionierte Methodik - die Einbeziehung und Begleitung der Eltern Insbesondere die zentralen Bereiche der Kommu- nikation und sozialen Interaktion, der Selbstregu- lation, der emotionalen Stabilität und der Verän- derungstoleranz wurden durch die fachlich-me- thodische Arbeit in positiver und Lebensqualität steigender Form verändert. Vor allem die Verknüpfung von verhaltensthera- peutischer Intervention mit verbaler Kommunika- tion (verbalen Hilfestellungen, Anweisungen oder Aufforderungen) führen zu nachhaltigen Verän- derungen, wobei die physische Situation bzw. das Schlafverhalten zentrale Einflussfaktoren sein dürften. Autismus-spezifische Verhaltensweisen traten zwar nach wie vor auf (v. a. im Zusammenhang mit einer negativen physischen Verfassung), aber die betreuten Personen waren zunehmend in der Lage, selbstregulierende Strategien anzuwenden oder unterstützende Inputs von außen zur Selbst- regulation anzunehmen. ○ Literaturhinweis: Thurner, Silke (2015): Wirkfaktoren in der Therapie mit Autisten. Eine Einzelfallanalyse zur Untersuchung von Wirkfaktoren im Bereich der Mikroebene und der Interak- tionssequenz bei einer erwachsenen autistischen Person im Rahmen des Autismus-Projektes des ifs. Masterarbeit. Leopold-Franzens-Universität Innsbruck. Dr. Martina Gasser Leiterin der Fachgruppe ifs Sozialpsychiatrische Individualbetreuung Dr. Sabine Kolbitsch

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