ifs_zeitschrift_sib_jubilaeum_16
57 Schwerpunkt Autismus Sich um die eigene Achse drehen, schnell, schnel- ler, vorerst nach rechts, dann Stopp und noch einige schnelle Drehungen nach links, immer schneller. Ein Lächeln im Gesicht drückt die Lust und das Wohlsein aus. Ein abrupter Stopp. Beim Zuschauen erinnere ich mich an das Bild eines tanzenden Derwisches. Marie Meier 1 , eine junge Frau, diagnostiziert mit frühkindlichem Autismus, gewährt manchmal ein Teilhaben an diesen freudvollen Momenten in ihrem Leben. Ich, die Zuschauerin, fühle mich beschenkt. Es gab eine Zeit in Frau Meiers Leben, in der sie sich so massiv selbst verletzte, dass ihr Leben be- droht war. Auch die sie umsorgenden Personen waren ihren verletzenden Attacken ausgesetzt. Eine medizinische, psychologische und pädago- gische Konsequenz war, Frau Meier mit „beson- ders schützender“ Kleidung zu versorgen und ihre Tagesstruktur so zu beschränken, dass möglichst wenig überfordernde Reize in ihr Sein drangen. Frau Meier integrierte Eishockeyhelm, wattierte Handschuhe und Overall aus dicht gewirktem Stoff in ihre Welt, sie bestand darauf, sie immer- fort zu tragen. Die Schutzkleidung war vielleicht notwendiger Rettungsanker in Momenten des an die Wände Rennens. Die Kehrseite war, dass Frau Meier in ihrer Außenwahrnehmung und in ihren Handlungsmöglichkeiten völlig eingeschränkt war und somit ihre Entwicklungskapazitäten dezimiert, wenn nicht ausgeschalten wurden. Das begleitende Umfeld von Frau Meier erkannte, nachdem die lebensbedrohliche Phase überwun- den war, dass es für sie Zeit war, zu neuen Ufern aufzubrechen. Sie sollte einen Lebensplatz bekom- men, der ihren individuellen Bedürfnissen ent- spricht, an dem sie einen Lernraum hat, der ihr Entwicklungspotential zulässt und optimal fördert. Zu diesem Zeitpunkt kam Frau Meier in das ifs Projekt SIB Autismus. Hier fand sie ein Team von multiprofessionellen Personen, das sich intensivst mit dem Sein von autistischen Menschen ausei- nandersetzt und zusätzlich in der Therapieme- thode nach Dr. Elvira Muchitsch geschult wurde. Der Erstkontakt zwischen den Betreuerinnen des ifs und Frau Meier erfolgte bereits in ihrer vorma- ligen Wohngruppe. So wurde auch ein Kennenlern- prozess eingeleitet. Während drei Wochen fuhr Frau Meier täglich von ihrer vormaligen Lebenswelt zum jetzigen „Daheim“, wobei die Verweildauer sukzessive ausgeweitet wurde. Dabei wurde sie von zwei „Marie drah di, drah di hoppsasa, drah di trallala ...“ ifs Sozialpsychiatrische Individualbetreuung ermöglicht individuelle Entfaltung
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