ifs_zeitschrift_sib_jubilaeum_16

9 Jubiläum 2016 Direkter Einstieg in die Praxis Nachdem die Formalien mit der Geschäftsführung des ifs – es war immerhin eine Entscheidung für ein neues Geschäftsfeld und für den Einstieg in ein ganz neues Thema – sowie den Kostenträgern des Landes Vorarlberg geklärt waren, begann die eigentliche Arbeit. Nach einer sehr kurzen Konzept- und Umset- zungsphase samt Personalsuche stieg das Team – damals noch als Teil des Jugend-Intensiv-Pro- gramms – unter verschiedenen Namen wie JIP- Reha, JIP-Spezial und zuletzt JIP for you in die direkte Arbeit ein. Das entwickelte Konzept wurde aus der JIP-Arbeit abgeleitet und diente im Sinne eines theo- retischen Rahmenkonzeptes als Säule für die neue Arbeit. Durch die permanente Überarbeitung und Adaptierung wurde quasi praktisches Tun theoretisch in der Tiefe fundiert. Auch in diesem Programm stellte eine 1:1 Betreuungssituation das Setting dar. Daher war dieser direkte Einstieg in die Praxis überhaupt erst möglich. Weiter entschieden wir uns, den im JIP-Konzept bewährten Phasenverlauf auch für die Betreuung dieser Klientin zu über- nehmen. Da die Klientinnen und Klienten des JIP jedoch gänzlich andere waren als jene im neuen SIB und lediglich das Setting ein ansatzweise ähn- liches war, mussten alle Beteiligten erst ganz lang- sam in das neue Projekt mit seinen neuen Heraus- forderungen, neuen Themen und der neuen Sym- ptomatik hineinwachsen. Ein Schlüsselerlebnis Eine weitere, sehr wesentliche Erkenntnis, welche sich aus dem praktischen Alltag ableitete und im Nachhinein betrachtet möglicherweise in Bezug auf das heutige Konzept sogar ein Schlüsselerleb- nis darstellte, war, dass wir erkennen mussten, dass Klienten mit diesem Konglomerat an Stö- rungsbildern keine Autoritäten (Polizei, Ärzte, Lehrpersonen) anerkannten. Somit blieb im prak- tischen Umgang mit den Klienten letztlich gar keine andere Möglichkeit, als über die Beziehung zu intervenieren. Da sich sehr viele der SIB-Kli- enten trotz ihres Alters zwischen 16 und 25 Jahren auf dem emotionalen Niveau eines Kleinkindes befanden, stellte dies dann die Initialzündung zum heutigen Konzept dar. Denn im Fokus der Begut- achtung der Klienten zum Zeitpunkt der Aufnah- me stand nun immer mehr das aktuelle emotio- nale Strukturniveau und nicht mehr so sehr das faktische Alter, all ihre Diagnosen oder ihr meist sehr problematisches Verhalten. Genau auf dieser Ebene und immer ihrem emotionalen Struktur- niveau entsprechend wurde den Klienten dann in der Einzelbetreuung begegnet und ihnen so ein „korrigierendes emotionales Erleben“ (Yalom 1989: 22) ermöglicht. Diese Anpassung des Konzeptes führte zu einer unglaublichen Entspannung der gesamten Betreuungssituation und erst dadurch war in weiterer Folge auch das so zentrale emotio- nale Nachreifen der Jugendlichen, welches sich in Folge des „Reparenting“ 2 einstellte, möglich. Hilfreich war es, sich immer wieder zu fragen, ob wir in der Rolle einer Mutter dieses oder jenes auch von einem dreijährigen Kind verlangen würden. Die Antwort fiel in den allermeisten Fällen recht eindeutig aus und so rückte zunehmend die Bin- dungstheorie immer mehr ins Zentrum der prak- tischen Arbeit. Denn gelang es der Betreuungsper- son erst einmal, dieses „affektive Band“ (Bowlby 1973, zit. nach Seiffge-Krenke 2004: 60) zwischen sich und dem Klienten zu spannen, funktionierte von da an auch die Zusammenarbeit viel besser. Einen weiteren wichtigen Schritt in der Entwick- lung des Konzeptes stellte die Zusammenarbeit mit Dr. Werner Sachon dar. Er war es auch, der die Integration der strukturtherapeutischen Arbeit nach Gerd Rudolf sowie der Operationalisierten Psychodynamischen Diagnostik, kurz OPD-Dia- gnostik 3 , in das Konzept des SIB anregte. Anpassung an individuelle Bedürfnisse Ab 2006 entwickelten wir das ursprüngliche Kon- zept stetig weiter und passten es jeweils an die in- dividuellen Bedürfnisse der neuen Klienten mit ihren ganz eigenen Geschichten an. So haben wir bis heute von jedem einzelnen Klienten immer wie- der etwas Neues gelernt, was zur Verbesserung des Gesamtkonzeptes beigetragen hat. In einer Klausur im Jahr 2008 wurde einstim- mig der künftige Namen „Sozial- psychiatrische Intensivbetreu- ung“ beschlossen. 4 Damit entstand zugleich ein neues Selbstverständnis in unserer Arbeit, da wir uns als Teil der sozialpsychiatrischen Landschaft „So haben wir bis heute von jedem einzelnen Klienten immer wieder etwas Neues gelernt, was zur Verbesse- rung des Gesamtkonzeptes beigetragen hat.“ „Durch die permanente Überarbeitung und Adaptierung wurde quasi praktisches Tun theoretisch in der Tiefe fundiert.“

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