ifs_zeitschrift_spagat_21_2_sc

20 Jahre Spagat 12 Die ersten Schülerinnen und Schüler aus Integra- tionsklassen in Vorarlberg sollten im Sommer 1998 ihre Pflichtschulzeit beenden. Im Rahmen des Berufsorientierungsunterrichts äußerten auch die Jugendlichen mit hohem Unterstützungsbe- darf ganz selbstverständlich den Wunsch, nach der Schule zu arbeiten: „Ich möchte arbeiten!“ – was sonst? Nur, das war alles andere als selbst- verständlich. Zwar gab es damals schon soge- nannte „geschützte“ Arbeitsplätze in Vorarlberg, diese waren jedoch für Jugendliche mit hohem Unterstützungsbedarf nicht vorgesehen – der vorgezeichnete Weg führte in eine Werkstätte der Lebenshilfe oder Caritas. Lange bevor die Jugendlichen den Wunsch äußerten, machten wir Eltern von „Integration Vorarlberg“ uns auf die Suche nach Möglichkeiten, wie das gemeinsame Leben und Lernen auch nach der Schulzeit fortgesetzt werden könnte. Unterstützt wurden wir von engagierten Pädagoginnen und Pädagogen, die unsere Kinder in den Schulen begleiteten und von den Potenzialen des inklu- siven Weges überzeugt waren. Sie waren unsere Weggefähr- ten und stärkten uns immer wieder gegen Vorurteile und Bürokratie. Eltern machen sich auf den Weg Eine Reise nach Hamburg 1996, ins Stadthausho- tel, einem auf Elterninitiative hin entwickelten inklusiven kleinen Hotel als Arbeitsort für deren Kinder mit hohem Unterstützungsbedarf, das Kennenlernen von Stefan Doose und damit des Konzepts des „supported employment“ mit der Persönlichen Zukunftsplanung im Zentrum – das waren die zündenden Funken. Mit vielen Bildern im Kopf kamen wir zurück. Wir wussten: Auch Jugendliche mit hohem Unterstützungsbedarf Ich möchte arbeiten! Auf der Suche nach Möglichkeiten einer inklusiven Lebensgestaltung können mit passenden Rahmenbedingungen ihren Bedürfnissen, Möglichkeiten und Fähigkeiten ent- sprechend ihren Beitrag in der Arbeitswelt leisten und damit gesellschaftlich an der Erwachsenen- welt teilhaben. Die ersten Schritte Mit der Lehranstalt für heilpädagogische Berufe (heute Kathi-Lampert-Schule) als verlässlichem Systempartner organisierten wir im Februar 1997 gemeinsam die Fachtagung „Fertig mit der Schule, was nun? Schulische Integration! Berufliche Integration?“ und ernteten aus der Vorarlberger Fachwelt Reaktionen von Begeisterung bis hin zu Ablehnung. Aber wir hatten Glück: Eingebettet in den internationalen Inklusionsdiskurs traf „Inte- gration Vorarlberg“, vertreten durch das Ehepaar Michael und Adriane Feuerstein sowie Rudolf und Ingrid Rüscher, auf offene Ohren: Der damalige Landesrat Hans-Peter Bischof und Walter Stefani als Leiter der Abteilung Behindertenhilfe waren vom Ansatz überzeugt und beauftragten das Institut für Sozialdienste und dessen Fachgruppe „Berufliche Rehabilitation“ im Frühjahr 1997 mit der Durchführung des Pilotprojekts Spagat. Finanziert wurde das Projekt aus Mitteln des Lan- des Vorarlberg und des Europäischen Sozialfonds. Bei der Entwicklung und Umsetzung arbeiteten das ifs (Michael Himmer, Andre Stanke und Eli- sabeth Tschann), „Integration Vorarlberg“ (Ingrid Rüscher und Hans-Werner Bösch), die Schulbe- hörde (Claudia Niedermair als wissenschaft- liche Begleitung und Günter Gorbach), das Land Vorarlberg sowie Lehrpersonen und Eltern der acht Jugendlichen aus den Integrationsklassen der Hauptschule Egg und Hauptschule Lustenau Kirchdorf eng zusammen. Als letzte Anlaufstelle für uns Eltern fungierte des Öfteren Stefan Allgäuer, der damalige Geschäftsführer des ifs, der unsere Visionen teilte, wenn das Projekt an strukturellen Barrieren oder Unverständnis zu scheitern drohte. Die transnationale Zusammen- arbeit führte zudem zu einem sehr bereichernden „Auch Jugendliche mit hohem Unterstützungsbe- darf können mit passenden Rahmenbedingungen ihren Bedürfnissen, Möglich- keiten und Fähigkeiten ent- sprechend ihren Beitrag in der Arbeitswelt leisten und damit gesellschaftlich an der Erwachsenenwelt teil- haben.“

RkJQdWJsaXNoZXIy NTQ2MDY0