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Was bedeutet für euch berufliche Integration und was waren bzw. sind die Konsequenzen? Berufliche Integration ist für uns Gleichstellung, Gleichbehandlung von unserem Sohn mit Rech- ten und Pflichten. In der Küche arbeiten, aber die Spülmaschine nicht einräumen wollen, das geht gar nicht! Es gehört dort einfach mit dazu. Man kann sich nicht immer die Rosinen rauspicken. Für uns hat das sehr viel Einsatz und Engagement bedeutet. Wir haben es uns bewusst nicht leicht gemacht – das hat sich auf alle Fälle gelohnt, da Mathias sich heute als Teil unserer arbeitenden Gesellschaft sieht. Oft ging uns der Atem aus, aber das konnte unser Lebensziel, Mathias selb- ständiger zu machen, nicht brechen. Welche Unterstützung hat euch als Eltern ammeisten geholfen? Unsere Tochter Nicole und die Großfamilie, z. B. als Freizeitentlastung, das aks, das uns vom Babyalter an unterstützte, die Volks- und Haupt- schullehrerinnen, bei denen Mathias den ersten Kontakt mit Lernen und Wissen erfahren durfte, ifs Spagat als Türöffner für die Arbeitswelt, SeneCura Herrenried als Arbeitgeber und beson- ders Mathias‘ Mentorin Anni Amann, Günter Sandholzer als Türöffner zu Lernen und Wissen, demMohi Hohenems, die für Entlastung und Urlaub sorgen und der Physiotherapie Vivere, vor allemMathias‘ Therapeutin Bernadette, die seinen Bewegungsradius unheimlich erweitert hat. Danke! Wie hat der Arbeitsplatz bei SeneCura die Entwicklung von Mathias beeinflusst? Sehr positiv. Er ist viel offener geworden und auch schlagfertiger. Selbständiger, auch in Bezug auf seinen Arbeitsweg. Mittlerweile läuft er sogar schon die ganze Woche eigenständig einen der drei ca. einen Kilometer langen Wege zum Arbeitsplatz. Er entscheidet selbst, welchen Weg er nimmt – je nachdem ob es stürmt oder ruhiges Wetter ist, denn wenn der Wind stark ist, läuft er zwischen den Häusern und nicht an den Bäumen entlang. Wodurch hat euch Mathias in seiner bisherigen Entwicklung ammeisten überrascht? Fünf Tage alleine zu Hause – mit Unterstützung von Nicole, der Großfamilie und MOHI. Wir haben unseren ersten 5-tägigen Urlaub als Paar verbracht. Welche kleinen Schritte in Mathias Leben sind oder waren es, die euch als Eltern stolz machen? Die Reise nach Helsinki mit dem Tanzhaus Hohenems und ohne uns Eltern, die große Wirbel­ säulenoperation 2013, durch die er sehr gereift ist. Wir sind auch sehr stolz, dass Mathias mittler­ weile mehr mit sich diskutieren lässt und wiss­ begierig ist. Wenn ihr zurückblickt auf die vergangenen Jahre, was würdet ihr wieder so machen und wo hättet ihr Verbesserungsvorschläge, wenn ihr einen Wunsch frei hättet? Wir würden den integrativen Weg genauso wieder gehen – vom Kindergarten bis zum Job. Mathias hat aber auch seinen Beitrag geleistet, dass wir das rückblickend so wieder machen würden. Was wir anders machen würden: Mehr auf uns als Ehepaar schauen, uns mehr Zeit füreinander gönnen. Ein Vorschlag wäre, dass, wenn ein Kind mit Beeinträchtigung auf die Welt kommt, den Eltern und später auch dem Kind eine Anlaufstelle für alle Anliegen, Therapien, für die Bürokratie und das Antragswesen zur Verfügung steht und diese auch bei räumlicher Veränderung im Ländle bestehen bleibt. Ein Vorschuljahr wäre rückbli- ckend für Mathias perfekt gewesen. Schön wäre auch, dass die Expertinnen und Experten, die mit dem Kind mit Beeinträchtigung arbeiten, nicht auf die Eltern vergessen und auch mal nachfragen, wie es den Eltern geht. Wir wur- den zum ersten Mal gefragt, als Mathias vier Jahre alt war. Vielen Dank für das interessante Gespräch! Das Gespräch führte ifs Spagat-Mitarbeiter Lukas Alton. Mein Arbeitsplatz ist für mich „Gold wert“ und dass ich dadurch fröhlich sein kann und dass mich die Leute dort jeden Tag begrüßen – deshalb ist Corona so schlimm für mich. Mathias Bertel 20 Jahre Spagat 24

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