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59 Sicht von außen als „virtuelle Werkstätten“ Arbeitsplätze in Betrieben organisieren können. Der Druck der Werkstattland- schaft führte aber dazu, dass die Pioniere die engen und gar nicht für sie gedachten Vorga- ben aus der Werkstättenver- ordnung erfüllen mussten. Sie regeln u. a. die Personal- und Raumausstattung, die päda- gogischen Konzepte und das Berichtswesen. Die Folge: Die Hürden waren so hoch, dass kaum ein Interessent eine Zulassung erhielt. Ähnlich erging es der zweiten Reform- idee, dem Budget für Arbeit. Vergleichbar der Spagat-Idee sollen Werkstatt- berechtigte den Geldbetrag, der für einen Werk- stattplatz aufgewendet wird, in personelle Unter- stützung und Lohnkostenzuschüsse umwandeln können. Voraussetzung: Eine berufliche Vorqua- lifizierung muss abgeschlossen sein, die in aller Regel in einer WfbM stattfindet. Der Absprung aus der Werkstatt gelingt nur den Wenigsten. Der Spiegel attestierte dem Budget für Arbeit eine „katastrophale Bilanz“. Fazit: Was in Vorarlberg seit Jahren gelebte Wirklichkeit ist, gilt in Deutschland noch als Utopie, deren Realisierung- schance von vielen schlicht geleugnet wird. Trotz der zunehmenden Kritik an Sondereinrichtungen ist ein konsequentes staatli- ches Umsteuern nicht in Sicht. Mein Resümee von damals gilt bis heute: Auch Deutschland benötigt einen kräftigen Impuls für eine zeitgemäße Ein- gliederungshilfe. Auch Deutschland braucht sei- nen Spagat! ○ nalkosten“, „Lohnkostenzuschuss“ und „Mentoren- zuschuss“ entsprach der eines Werkstattplatzes. Im Durchschnitt waren sie, wie eine Erhebung zeigte, sogar niedriger. Warum in Deutschland nicht möglich? Warum, so lautete damals schon die Frage (und so lautet sie immer noch), kann im kleinen Vorarlberg etwas gelingen, was im großen und wohlhabenden Deutschland nicht möglich erscheint? Eine Antwort liegt in der Zuständig- keit für die behörd- lichen Vorgaben. In Deutschland ist der Rahmen für die Eingliederungshilfe durch ein Bundes- gesetz geregelt. Es garantiert einen Anspruch auf einen Werkstattarbeitsplatz, gibt aber auch sehr detailliert die Ausgestaltung der Werkstätten vor. Die Länder, in einigen Fällen auch die Kommunen, sind zwar für die Finanzierung zuständig, müssen sich aber an die gesetzlichen Vorgaben halten. Der Vorteil: Rechtssicherheit und keine Finanzierung nach Kassenlage. Der Nachteil: Wenig Handlungs- spielraum, geringe Flexibilität. Die Grundüberzeu- gung der Gesetzgebung aus den 1970er Jahren, der Arbeitsmarkt nehme den Personenkreis nicht auf, ist bis heute die Richtschnur geblieben. Der Werk- statt- und der Vermittlungsgedanke werden nicht gleichwertig finanziert und es gibt kein flächende- ckendes „Spagat-Netz“, das die Schülerinnen und Schüler schon in der Schule abholt. Wahlfreiheit konsequent unterstützt Das kleine Vorarlberg mit seinen 390.000 Ein- wohnerinnen und Einwohnern war offenbar so etwas wie ein Labor zur Erprobung einer neuen Leitidee. Eine aktive Elterninitiative, mit dem ifs ein starker Sozialdienstleister, der sein Know-how einbrachte, kurze Wege zur Entscheidungsebene in der Landesregierung und mit zwei Behördenlei- tungspersonen, die die Wahlfreiheit konsequent unterstützten. In Deutschland haben Werkstätten eine starke Lobby, was sich gerade wieder beim jüngsten Reformversuch der Werkstattgesetzgebung zeigte. Unter dem Druck der Umsetzungsprüfer zur UN-Behindertenrechtskonvention wurden zwar „Andere Leistungsanbieter“ zugelassen, die Dieter Basener Gründer von 53° NORD Agentur und Verlag. Zur Person Dieter Basener ist Gründer und langjähriger Lei- ter von 53° NORD Agentur und Verlag. Nach dem Studium der Pädagogik und Psychologie war er ab 1981 in Werkstätten für Men- schen mit Beeinträchtigungen tätig – zunächst im ostfriesischen Aurich und Norden, von 1987 bis zu seiner Berentung bei den Elbe- Werkstätten in Hamburg. Basener ist Mitbegründer der Hamburger Arbeitsassistenz, des Integrations- betriebs Bergedorfer Impuls und des EUCREA Verbands Kunst und Behinderung e.V. „Das Spagat-Team hatte das schon vorhandene Repertoire an Methoden und Instrumenten für eine Vermittlung um etli- che Aspekte erweitert.“ „Das kleine Vorarlberg mit seinen 390.000 Einwohne- rinnen und Einwohnern war offenbar so etwas wie ein Labor zur Erprobung einer neuen Leitidee.“

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