Mag. Marion Hepberger
Interpark Focus 40
6832 Röthis
Seit 1. Juli 2005 ist das Heimaufenthaltsgesetz in Kraft, das Beschränkungen der Bewegungsfreiheit in Pflegeheimen, Behinderteneinrichtungen und Krankenhäusern regelt. Am selben Tag wurde ein neuer Berufsstand geboren: die Bewohnervertretung. In Vorarlberg kümmern sich Dr. Herbert Spiess, Brigitte Kepplinger, MA und Dr. Karl Stürz um die Freiheitsrechte der Betroffenen.
Fixierungen mit Gurten, Bettgitter, Festhalten, Dämpfen mit Medikamenten – das stellte bis 2005 einen rechtlichen Graubereich dar. Eine Gratwanderung für Ärzteschaft und Pflegepersonal zwischen Notsituation und strafbarer Freiheitsentziehung. Dazu kam noch der Vorwurf, sich die Betreuung durch Freiheitsbeschränkungen womöglich zu erleichtern. Das Heimaufenthaltsgesetz hat allen geholfen: den Betroffenen zu einem adäquaten Schutz ihrer Freiheitsrechte und den Ausführenden zu Rechtssicherheit bei der Ausübung von Freiheitsbeschränkungen.
"Am 1. Juli 2005 standen wir wie gebannt vor dem Faxgerät. Nachdem schon in der Vorwoche 100 Meldungen über Freiheitsbeschränkungen eingelangt waren, spuckte das Fax an diesem historischen ersten Tag des Heimaufenthaltsgesetzes 64 Meldungen aus; bis Ende des Jahres waren es 750. Inhaltlich ging es hauptsächlich um Bettgitter, das hat mir sogar einmal die Anrede 'Bettgitteranwalt' eingebracht, Bewohnervertreter merkt man sich ja nicht gleich", erinnert sich Dr. Herbert Spiess, Leiter der ifs Bewohnervertretung, an die erste Zeit zurück.
"Zwischen der ifs Bewohnervertretung und dem Pflegepersonal besteht seit 10 Jahren ein konstruktives und kooperatives Miteinander", erklärt Dieter Visintainer, Haus- und Pflegeleiter der Senioren-Betreuung Nenzing. "Wir haben sehr gute Erfahrungen mit der Bewohnervertretung gemacht und neues Bewusstsein in Bezug auf freiheitsbeschränkende Maßnahmen für Bewohner und Bewohnerinnen erlangt. Es erfolgte ein Umdenken und neue Alternativen wurden gesucht und mit Erfolg umgesetzt."
Außer bei Medikamenten gingen die Freiheitsbeschränkungen in allen Einrichtungen sukzessive zurück, am meisten in den Pflegeheimen. "Das liegt am steigenden Bewusstsein der Pflegepersonen und der Ärzteschaft, dass Freiheitsbeschränkungen nur noch das letzte Mittel sein dürfen, um Sturzverletzungen oder sonstige Gefahrensituationen zu verhindern. Da hat sich nach anfänglichen Kämpfen vieles getan. Außerdem haben technische Entwicklungen in den letzten zehn Jahren viele Freiheitsbeschränkungen unnötig gemacht: Niedrigpflegebetten, Alarmsysteme und Sturzmatten ersetzen in vielen Fällen Fixierung und Bettgitter. GPS-Ortung ermöglicht mehr Bewegungsfreiheit außerhalb der Einrichtungen. Hüftschutzhosen helfen, Oberschenkelhalsbrüche zu reduzieren", erklärt Spiess.
Auch in Krankenhäusern wurde in den letzten Jahren technisch aufgerüstet. Die dortigen Strukturen mit Mehrbettzimmern und ohne Tagesgestaltung erschweren dementen PatientInnen einen gefahrlosen Aufenthalt. Darum sind dort Fixierungen, Bettgitter und medikamentöse Beruhigung noch häufig anzutreffen. Wo immer möglich werden auch hier technische Alternativen oder zusätzlicher Personaleinsatz, z. B. durch Hospizbetreuung, organisiert, um Freiheitsbeschränkungen zu vermeiden.
In Behinderteneinrichtungen wurde immer schon viel mit pädagogischen Alternativen gearbeitet: ein Gespräch, ein Spaziergang mit Betreuungspersonen hilft oft. Nur bei akuter Selbst- oder Fremdgefährdung kommen beruhigende Medikamente zum Einsatz.
"Sehr vieles hat sich in relativ kurzer Zeit zum Besseren verändert", resümieren die drei ifs BewohnervertreterInnen. Für alle Beteiligten schwierig ist die Abgrenzung bei psychiatrischen Medikamenten: Liegt der Zweck nur in der Behandlung einer psychischen Störung oder soll die Bewegungsmöglichkeit durch Medikamente reduziert werden? Das hängt oft von der Wahl des Medikaments und der Dosierung ab. "Hier sind wir um das gerontopsychiatrische Projekt für Pflegeheime froh: Psychiater kommen ins Heim. Jetzt muss nicht mehr jeder Bewohner ins Krankenhaus, wenn er eine psychiatrische Facharztbetreuung braucht. Der Ortswechsel ist für Menschen mit Demenz oft sehr belastend und führt zu noch mehr Verwirrtheit, die dann mit Medikamenten behandelt werden muss." In der gewohnten Umgebung ist es zudem leichter, Medikamente zu reduzieren oder abzusetzen als im Krankenhaus.
Ein rechtliches Vakuum ist nach wie vor im Kinder- und Jugendbereich gegeben. Handelt es sich nicht um Behinderteneinrichtungen, so werden Einrichtungen für Kinder und Jugendliche im Heimaufenthaltsgesetz ausgeklammert. "Wir hoffen, dass der Gesetzgeber diese Lücke bis zu unserem nächsten runden Geburtstag im Jahr 2025 geschlossen hat."
Mag. Marion Hepberger
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